1. Methodik
  2. Methodenauswahl zur Praxisbewertung

Auswahl einer Methode zur Praxisbewertung

Die Frage nach der richtigen Methode zur Praxisbewertung und zur Apothekenbewertung beschäftigt die „Fachwelt“ seit Generationen.

Zutreffende und den Marktgegebenheiten entsprechende Praxis- und Apothekenwerte sind Voraussetzung dafür, einen Praxisverkauf, eine Kooperations-Gründung oder bspw. die Auseinandersetzung in einem Ehescheidungsverfahren sachgerechet abschließen zu können. Die Schäden durch eine fehlerhafte Praxis-Bewertung können hingegen immens sein.

Grundsätzlich gilt, dass es die einzig richtige Bewertungsmethode nicht gibt. Entscheidend ist stets die Beantwortung der Frage, ob das angewendete Bewertungsverfahren geeignet ist, den Praxis- oder Apothekenwert zutreffend zu bestimmen.

Was es alles gibt…

Um einmal darzulegen, was so alles am „Markt“ angeboten wird, wenn es um die Wertfeststellung in medizinischen Einrichtungen geht, haben wir die nachfolgende – keineswegs vollständige – Auflistung erstellt. Die Wertberechnung mittels solcher Faustformeln hat im konkreten Fall bei Praxisübergabe, Kooperationsgründung oder in streitigen Fällen keinerlei Bestand. Im Regelfall gilt bei solchen Angeboten daher: Lassen Sie die Finger davon weg.

So kann es aussehen:

  • Schließen Sie die Praxis ab, dafür gibt’s nichts mehr (!)
  • Maximal 10 % vom Umsatz
  • Maximal 15 % vom Umsatz
  • Maximal 20 % vom Umsatz
  • Maximal 25 % vom Umsatz
  • 30 % / 35% / 40 % / 50 % vom Umsatz
  • 2 Quartalsumsätze
  • 3 Quartalsumsätze
  • 1 Jahresumsatz
  • 25 % vom Umsatz plus 50 % Gewinn / 2
  • 50 % vom Gewinn
  • 1 Jahresgewinn
  • 33 1/3 % abzgl. Oberarztgehalt
  • Nur Sachwert
  • Mittelwert aus verschiedenen Faustformeln
  • Sachwert = Schätzung eines Einrichters
  • Stuttgarter Verfahren (steuerliche Variante)
  • usw.

Das Feld der Faustformeln ist weit und schnell entsteht durch deren unsachgemäße und nicht sachverständig ausgeführte Anwendung ein erheblicher Vermögensschaden. Faustformeln erfüllen nur da ihren Zweck, wo sie von einem Sachverständigen auf der Basis seiner Markterfahrung vorsichtig gehandhabt werden. Zur Festlegung eines konkreten Praxiswertes, der zur Grundlage einer Praxisübernahme, einer Kooperationsgründung oder eines streitigen Verfahrens gemacht werden soll, verbietet sich die Anwendung von Faustformeln jedoch von vornherein.

Grundlegende Gerichtsentscheide

Bedeutung für die Auswahl einer Bewertungsmethode kommt höchstrichterlichen Urteilen zu, in denen seit Jahrzehnten explizit und wiederkehrend der Grundsatz der freien Mehodenwahl geprägt wurde:

Sachverständige sind grundsätzlich frei in der Wahl der Berechnungsmethode. Eine bestimmte Wertberechnungsmethode ist rechtlich nicht vorgeschrieben.“ BGH IV ZR 114/70 vom 26.4.1972

Der BGH konstatiert des weiteren, dass…

„…es keine einhellig gebilligte Bewertungsmethode gibt und dass eine solche rechtlich auch nicht vorgeschrieben ist.“ BGH IV ZR 142/70 vom 17.1.1973

und weiter im Urteil vom 9.2.2011 (XII ZR 40/09):

„Nach welcher Methode die Bewertung im Einzelnen zu erfolgen hat, regelt das Gesetz nicht. Sie sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden ist Sache des – sachverständig beratenen – Tatrichters.“

Unterschiedliche Methoden

Bei der Bewertung einer Arzt- oder Zahnarztpraxis existieren in der Praxis mehrere verschiedene Bewertungsansätze.

Zu nennen sind (teilweise) in der Betriebswirtschaftslehre geläufige Verfahren wie die

  • (modifzierte) Ertragswert-Methode,
  • Substanzwert-Methode,
  • Mittelwert-Methode, Berechnung einer Übergewinnverrentung oder Geschäftswertabschreibung sowie die
  • BÄK-Richtlinie.

Das für große Unternehmen entwickelte betriebswirtschaftliche Bewertungs-Verfahren (die „Ertragswert-Methode“) stellt auf die nachhaltig erzielbaren Erträge eines Unternehmens ab, die nach Bereinigung um verschiedene Einflussfaktoren kapitalisiert den Gesamtwert eines Unternehmens darstellen.

Für Handels- oder Industrieunternehmen lassen sich damit im allgemeinen zutreffende Unternehmenswerte berechnen, wenngleich jeder Wertansatz durch unterschiedliche Aufbereitungen des Zahlenmaterials auch hier zu unterschiedlichen Werten führen kann (siehe WP-Handbuch).

In Industrieunternehmen oder im Handel liegen die Umsatzrenditen z.T. deutlich unter 1 %, selten über 4 – 5 %, in freiberuflichen Einrichtungen hingegen zwischen 20 % und durchaus 70 %. Eine Kapitalisierung nach der klassischen Ertragswertmethode führt daher für eine freiberufliche Einrichtung zu irrelevanten Werten, die niemand aufbringen würde.

Um die Ertragswertmethode auch für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen nutzbar zu machen, wurde sie durch Einführung verschiedener Parameter „modifiziert“ (z.B. die Begrenzung des Abzinsungszeitraumes der zukünftigen Gewinne auf eine sogenannte Goodwill-Reichweite).

In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, …

…dass das modifizierte Ertragswertverfahren für die Bewertung freiberuflicher Praxen … generell vorzugswürdig (sei).“ BGH XII ZR 185/08 vom 2.2.2011

Die modifzierte Ertragswertmethode ist daher heute unter Sachverständigen für die Praxisbewertung die Methode der Wahl.